Interview: Aus dem Leben einer Übersetzerin

Ein Interview mit Annette Esposito

Stundenlange Recherche zu Fachgebieten, Namen und Orten. Fremdsprachliche Fachgebiets-Abkürzungen und firmeninterne Termini verstehen und in fachlich korrespondierendes Deutsch übersetzen.

Und als Schmankerl:  Eine Fremdsprache, die von einem Nichtmuttersprachler  zusammengebastelt wurde, erst einmal in der Fremdsprache verstehen, um sie dann in gutes Deutsch übersetzen zu können.„Und dann heißt es, wer Englisch oder Französisch kann, der kann doch auch übersetzen.  Da antworte ich immer: Also heißt das, wenn man Noten lesen kann ist man auch ein Komponist?“ 

Warum sind Sie Übersetzer geworden?

„Sprachen habe ich schon in der Schule geliebt.  Als ich den Bachelor in Sprach- und Literaturwissenschaft machte, gab es einen Kurs: Übersetzung.  Das war sofort meins! Danach fing ich an, auch privat vieles zu übersetzen.Im Anschluss habe ich den Master of Arts mit einem Übersetzungsstudium in Englisch und Französisch, Schwerpunkt Wirtschaft, gemacht.Und am besten lernt man eine Sprache dort, wo sie gesprochen wird.  So habe ich immer wieder einige Zeit im Ausland verbracht. In Singapur arbeitete ich in einer deutschenglischen Schule, in Frankreich in einer Mediathek und in Lyon machte ich mein Übersetzerpraktikum.“

Wer benötigt Ihre Hilfe?

„Aktuell arbeite ich hauptsächlich mit Agenturen aus dem In- und Ausland zusammen. Aus dem Ausland kommen vor allem viele Rechtstexte. Aus dem Inland beauftragen mich immer wieder international agierende Unternehmen, die zum Beispiel Verträge, Wirtschaftstexte und anderes übersetzen lassen müssen.Aber auch Privatleute beauftragen mich. Zum Beispiel für die Übersetzung einer Heiratsurkunde, die Übersetzung und Beglaubigung eines Führerscheins etc. Ich freue mich über jeden Auftrag, denn gerade die Abwechslung macht Spaß. Unerheblich, ob es sich um eine Übersetzung für einen Privatmann handelt oder um Wirtschafts- oder Rechtstexte eines Unternehmens. Außerdem habe ich die Freiheit, über Landesgrenzen hinweg zu agieren. Internet macht‘s möglich.Ganz besonders würde ich mich freuen, wenn mehr lokale Unternehmen meine Dienstleistung in Anspruch nehmen würden.“ 

Wie sieht Ihr Alltag aus?

„Ich habe mich vor 3 Jahren als gerichtlich vereidigte Übersetzerin selbständig gemacht. Es ist ein wunderbares Arbeiten und auf mich wie zugeschnitten. Als eher introvertierter Mensch, der sehr genau arbeitet und dafür vor allem Ruhe benötigt, ist die Tätigkeit des Übersetzens ideal. Man sitzt natürlich schon viele Stunden vor dem PC. Und trotzdem hat man genügend Kontakt zur Außenwelt. Agenturen, direkte Kundenkontakte und die persönlichen Kontakte bei so mancher Recherchearbeit lockern die vielen Stunden im Büro auf. Damit das Sitzen nicht in den Knochen bleibt, mache ich zweimal die Woche Sport.“

Was ist das Besondere Ihrer Arbeit?

„Abenteuerlich wird es, wenn bereits der ausländische Text von einem Nichtmuttersprachler verfasst wurde. Dann muss man erst einmal verstehen, was will derjenige überhaupt auf Englisch (oder Französisch) sagen, um das dann auch richtig ins Deutsche übersetzen zu können. Bei Texten ausländischer Unternehmen müssen so manches Mal firmeninterne Termini erst einmal recherchiert und verstanden werden, bevor die ganze Vorlage übersetzt werden kann. Das kostet vor allem eines: Zeit.Daher kann mich im Extremfall eine Seite auch schon mal einen ganzen Tag kosten. Das sehen leider viele nicht und fragen dann, warum das denn so teuer ist. Allerdings ist das nicht häufig der Fall. Interessant bleibt es jedoch immer. So wie zum Beispiel ein Haftbefehl aus Kuweit, der in einem solch schlechten Englisch verfasst war, dass es erst 10 E-Mails hin und her bedurfte, um am Ende eine korrekte Übersetzung hinzulegen.Jede Sprache lebt von den Menschen, die sie sprechen. Das ist und bleibt eine spannende Sache und für mich als Übersetzer im doppelten Sinne. Denn jedes Land hat seine eigene Sprachkultur, die es gilt, sinngemäß und richtig ins Deutsche passend zu übersetzen.“